Schluss mit Wucherzinsen beim Finanzamt!?

BFH Urteil zu den Wucherzinsen beim Finanzamt, rechltich Nachzahlungszinsen gennant

Höhe und Entstehung von Nachzahlungszinsen

Die Festsetzung der Steuer durch das Finanzamt führt häufig zu Steuernachforderungen oder Steuererstattungen. Diese sind laut Gesetz zu verzinsen. Hierbei beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Für nachzuzahlende oder zu erstattende Steuer betragen die Zinsen für jeden vollen Monat 0,5 %, im Jahr also 6 %. So regelt es der Gesetzgeber in der Abgabenordnung (AO). Aufgrund der aktuellen Zinsen könnte man also durchaus von Wucherzinsen sprechen.

Hintergrund für die Wucherzinsen beim Finanzamt

Die Verzinsung ist unabhängig vom Verschulden des Finanzamts oder des Steuerpflichtigen. Zweck der Regelungen ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Hierbei entstehen dem Steuerpflichtigen oder dem Finanzamt Liquiditätsvorteile. Sodass mithilfe der sog. Vollverzinsung diese Vorteile ausgeglichen werden.

Das Finanzamt ist bei den Zinsen im Plus

Allein bei der steuerlichen Betriebsprüfung vereinnahmte das Finanzamt in den letzten Jahren mehr als 2 Mrd. € Zinsen. Jedoch sollte man die ausgezahlten und eingeforderten Nachzahlungszinsen gegeneinander aufrechnen. Dies hat das BMF bereits getan. Demnach sind seit 2010 bei der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer 7,3 Milliarden € an Nachzahlungszinsen mehr vom Finanzamt vereinnahmt als bezahlt. Folglich profitiert der Staat durch die Wucherzinsen beim Finanzamt.

Ein aktueller Fall beim Bundesfinanzhof (BFH) setzt die Vollziehung aus

In einem aktuellen Fall wurden durch das Finanzamt Nachzahlungszinsen in Höhe von 240.831 € festgesetzt (Zeitraum ab April 2015). Der Steuerpflichtige beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Zinsbescheids, da die Höhe der Zinsen von 0,5% Prozent für jeden Monat verfassungswidrig sei. Dies lehnten Finanzamt und Finanzgericht ab.

Nunmehr hatte der Bundesfinanzhof (BFH) darüber zu entscheiden. Somit über die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Mit Beschluss vom 25.4.2018 (Aktenzeichen IX B 21/18) gewährte der BFH in diesem Verfahren Aussetzung der Vollziehung. Nach seiner Auffassung bestehen im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015 schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz überschreitet den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, da sich zwischenzeitlich ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt hat.

Bundesfinanzhof (BFH) sieht keine Rechtfertigzung für Zinshöhe

In seiner Pressemitteilung Nr. 23/18 vom 14.05.2018 sieht der BFH keine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe besteht bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Aufgrund moderner Datenverarbeitung beim Finanzamt könnten Erwägungen wie Praktikabilität und Verwaltungsvereinfachung einer Anpassung der seit dem Jahr 1961 unveränderten Zinsen an den jeweiligen Marktzinssatz oder an den Basiszinssatz des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht mehr entgegenstehen. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirkt in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die festgesetzte Steuer.

Dazu eine Rüge an den Bundestag und die Bundesregierung

Eine Schelte geht auch an den Gesetzgeber. Dieser müsste prüfen, ob der Zinssatz auch bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus in der Zinshöhe angepasst werden muss. Schliesslich hat er die Notwendigkeit erkannt. Denn vergleichbare Zinsregelungen in der AO und im Handelsgesetzbuch wurden inzwischen angepasst.

Das Ende von Wucherzinsen durch das Finanzamt?

Nein, leider nicht. Denn der BFH ist sich beim Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen selbst nicht einig. So hat der III. BFH-Senat im November 2017 (BFH Urteil vom 09.11.2017 III R 10/16) in einem anderen Fall für den Zeitraum ab 2013 die Nachforderungszinsen als verfassungsgemäß beurteilt. Sollte sich die Ansicht des BFH auch im Hauptsacheverfahren bestätigen, müsste der Große Senat des BFH entscheiden. Hält dieser auch die Nachzahlungszinsen für verfassungswidrig, müsste er diese Frage abschließend dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Entscheidung vorlegen.

Was ist jetzt zu tun?

Sind Sie als Steuerzahler betroffen. Dann nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf. Denn ggf. ist Einspruch einzulegen, wenn ein Steuerbescheid mit Nachzahlungszinsen ergeht. Dies hat zwar keine aufschiebende Wirkung, daher sind die Zinsen zunächst zu zahlen. Allerdings erhält man sich damit die Chance, Nachzahlungszinsen erstattet zu bekommen, sollten sie sich als verfassungswidrig erweisen.

Der Nachteil

Die Angelegenheit hat aber auch einen Nachteil. Erhalten Steuerzahler eine Rückzahlung vom Finanzamt, wird diese ebenfalls ab dem 15. Monat nach Ende des Veranlagungszeitraums mit 6 % pro Jahr verzinst. Eine bessere, mündelsichere Verzinsung ist derzeit am Kapitalmarkt kaum zu erzielen.

Artikel-ID: DW20180701, 2018-07-02 00:00:59
Letzte Änderung: 2018-07-03 13:55